Deichbrand 2016 - Tag 4

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Nordholz/ Wanhöden – Schlafmangel, ungesunde Ernährung, dreckige Dixi-Klos und Alkohol, das sind die vier Hauptbestandteile eines guten Festivals. Viel Sonne, wenig Schatten - reichlich verbrannte Nasen gehörten dieses Jahr auch dazu. Der letzte Festivaltag bot noch einmal interessante Acts. Auf den großen Bühnen ging es mit der Berliner Elektropop-Band Grossstadtgeflüster los, obwohl sie sonst eher als Late-Night-Act überzeugten. Russkaja durfte auch dieses Jahr nicht fehlen. Die Wiener mischen traditionelle Musik mit Ska, Rock und Polkabeats und sind so etwas wie ein gerngesehenes Unikat. Neu hingegen war die Hip-Hop-Gruppe Antilopen Gang, die wir bereits im letzten Jahr auf dem Stader „Müssen alle mit“-Festival ins Herz geschlossen hatten, nachdem sie sich nach dem Suizid ihres vierten Bandmitgliedes Jakob Wich so langsam wieder erholten. Sie besangen den "Enkeltrick" und "Beate Zschäpe".

Martin, Katha Mia, Carl und Manuel von Mono Inc. boten wieder einmal düsteren Dark-Rock, Irie Révoltés waren auch nicht zum ersten Mal bei Deichbrand und so gab es familiäres Abfeiern. Wer meint, die Band kommt aus Frankreich, hat weit gefehlt: Der Vater der Brüder „Mal Élevé“ und „Carlito“ stammt aus Frankreich und es wird überwiegend französisch gesungen, die Band kommt aber aus Heidelberg. Die Securities spritzten gleichzeitig mit Wasserpistolen durch die springenden Reihen- eine angenehme Erfrischung.

Während auf der Electric Island und Newport Bühne kleiner Gruppen spielten, begann im Palastzelt das Finale vom Poetry Slam. Mit der 10-köpfige Brassband Moop Mama, zwei Support-Tourneen für Jan Delay und eine eigene ausverkaufte Tour aufweisen können, den schwedischen Indie-Rockern Friska Viljor, den Norwegern Combichrist, den Metalcorer Caliban und Deutschlands erster Liedermacherband Monsters of Liedermaching folgten interessante Acts.

Gogol Bordello aus New York mit dem ukrainischen Frontmann Eugene Hutz brachten mit ihrer geballten Ladung Gipsy-Punk Abwechslung auf der Fire Stage. Die achtköpfige Band spielte bei ihrem ukrainisches Zigeuner-Punk-Cabaret mit viel Energie Gitarre, Geige, Schlagzeug, Akkordeon und Saxophon, gespickt mit viel Klamauk, Kostümen und Tanzeinlagen. Nach einer Flasche Rotwein bei 30 Grad kam der Frontmann richtig auf Touren, eine wirklich sehenswerte Liveband.

Blumentopf hatten vor Monaten ihren eigenen Abschied für dieses Jahr nach über 600 Konzerten und 20 Jahre Bühnenerfahrung bekannt gegeben, und auch Tracks wie „Willst du mit mir geh’n“ erinnerte vereinzelte Festivalbesucher wohl daran, auch vom Deichbrand Abschied zu nehmen und schon nach Hause zu fahren. Im Oktober wird die Band noch 6 Abschiedsshows geben. Heaven Shall Burn waren auch bereits 2014 Gast auf dem Festival. Die Thüringer zeigten auch nach 20 Jahren Death Metal noch keine Ermüdungserscheinungen.

 

Sie ließen nicht nur mit ihren Flammenwerfern die Luft brennen. Sänger Marcus Bischoff griff den Rap-Überfluss des Festivals auf und bezeichnete seine eigene Kapelle als "beschissenste Band des Hip-Hop-Festivals".

Die deutsche Hip-Hop-Gruppe Fünf Sterne Deluxe mit Tobi Tobsen und Das Bo wurde gefolgt vom Headliner des Tages, Sportfreunde Stiller. Auch wenn sie einige neue Songs spielten, wir hatten schon so viele Auftritte von ihnen gesehen, dass wir die Heimreise antraten, um nicht in den Abreisestau zu gelangen. Somit haben wir die provokanten und mitunter mächtig sexistischen Texte der vier nachfolgenden Brachial-Buben aus Berlin namens K.I.Z nicht mehr mitbekommen. Die DJs von Moonbootica und Pins aus Manchester beendeten das Line-Up auf den kleinen Bühnen.

Insgesamt war es ein gutes und - besonders wichtig in diesen Zeiten- ein friedliches Festival. Freundliches Security-Personal und ein reibungsloser Ablauf, kleiner Kritikpunkt sind die ständigen Kontrollen beim Wechsel zwischen den Bühnen.

Vermehrte Sanitätereinsätze oder außergewöhnliche Zwischenfälle blieben aus. Beliebt waren an dem Wochenende auch die Helikopter-Rundflüge, die vom benachbarten Flugplatz aus angeboten wurden und bei denen man sich eindrucksvolle Luftbilder vom ganzen Gelände verschaffen konnte. Gut eine Woche lang werden die Aufräumarbeiten auf dem Acker am Rande des 300-Seelen-Dorfes noch dauern. Der Fernsehsender EinsFestival überträgt ab September Ausschnitte des Festivals.

Bleibt zu hoffen, dass die Macher von Deichbrand und die Gemeinde Nordholz endlich einen langfristigen Vertrag für ein naheliegendes Gelände unterzeichnen, um so Planungssicherheit für erforderliche Erweiterungen zu haben. Zwar war -wenn auch zum wiederholten Mal- so mancher bekannte deutsche Act zu sehen, die richtigen internationalen Kracher sichert man sich aber erst ab 60.000 Besucher. Auf dem neuen Gelände wäre auch Platz für mehr Besucher. Vom 20.- 23.07.2017 gibt es das nächste Deichbrand. Und dann wird der Deich wieder richtig abgebrannt….