Festival 2.0: Mehr als Dosenbier

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Luhmühlen, 01.- 03.08.2018 – Es gibt Festivalgänger, es sind meist die in etwas gesetzterem Alter und vielleicht schon Nachwuchs, die wollen nicht mit Dosenbier in der Hand über staubiges Festivalgelände laufen. Das Musik-Festival "A Summer's Tale" im beschaulichen Luhmühlen bei Lüneburg bietet die Alternative: Luxus-Camping, Holzspäne-Toiletten, Workshops und Drei-Gänge-Menü samt Bio-Weinbegleitung. Dies Festival ist wie eine eigene Welt. Das Festival inmitten wunderschöner Natur richtet sich mit dem sorgfältig ausgewählten Angebot an kulinarischen Besonderheiten, viel Platz und Komfort auch an Familien. In der „Zwergstadt“ können Groß und Klein Spielstationen wie Leselounge, Bastelparadies, Spielküchenlandschaft und Sportspaß erkunden und sich austoben.

Zwar ist hier nicht der Urgedanke eines Musik-Festivals gefragt, aber schön ist es trotzdem. Ein Sommermärchen eben wie schon der Festivalname verspricht, ein Kurzurlaub sozusagen. Denn es gibt Festivals, nach denen brauchen Besucher erst mal Urlaub, zu viel Lärm, zu viele Leute, zu viel Staub oder Schlamm. Und wenn wie dieses Jahr das Wetter mitspielt und man im Gras auf dem Springreitgelände zwischen tiefen Wäldern, urigen Mooren und luftigen Birkenhainen chillen kann, dann ist dies Festival etwas ganz besonderes. Aber auch große Festivals wie Rock am Ring, Hurricane und Deichbrand bieten inzwischen auch Luxus-Camping an.

Tagsüber gibt es für das Rockurlaub-Publikum Hatha Yoga, Family Yoga, Acro Yoga, Power Yoga, Massage-Workshops, Näh- und Holzschnitzkurse, ein Kinderprogramm, Theater und Vorträge über Urban Gardening, Reisen und Architektur. Jede Menge Bio- sogar die Toiletten sind bio, nichts mit blauen Dixiklos.

An den Essensständen gibt es Deutschlands ersten Lachs-Döner, Cold-Brew-Coffee und den neuesten Fast-Food-Trend Pulled Pork. Das „Summer’s Tale“ ist das einzige Festival hierzulande, das ohne Zäune auskommt und wo kein Müll herumliegt. Kleine Wimpel dienen innerhalb des Geländes als Wegbegrenzung – und es überrascht nicht, dass sich die Besucher daran halten.

Zu den Festivalinhalten: In der Mix-Show Feierabend-Comedy traten Salim Samatou (Gewinner RTL Comedy Grand Prix 2016) auf, Amjad, Marten De Wall, Sertac Mutlu und Moderator Lukas Wandke. Und die Musiker und Bands auf den insgesamt elf Bühnen? Sie stehen vielleicht nicht ganz so im Vordergrund wie bei anderen Festivals, bei denen durch immer höhere Gagen die Auftritte der Supergruppen aus Kostengründen ausfallen.

Das Festival begann am Mittwoch Nachmittag, die großen Bühnen waren noch nicht geöffnet. Am Donnerstag begeisterte Passenger, der demnächst ein neues Album veröffentlichen wird, welches Nordevents rezensieren wird. Seine Hit-Single „Let Her Go“ hat inzwischen mehr als eine unglaubliche Milliarde YouTube-Aufrufe erreicht. Es folgten Belle & Sebastian, die nach der „A Summer’s Tale“-Premiere von 2015 ein zweites Mal auftraten und ihr neues Album „How to Solve Our Human Problems, Pt. 1“ vorstellten und in den bilderbuchartigen Sonnenuntergang spielten. Stuart Murdoch und Co waren gut gelaunt, spielfreudig und so verblüffend offen. Den Abschluss auf der Konzertbühne machte Mando Diao, über deren Deichbrand-Auftritt vor 2 Wochen berichteten wir. Neue und alte Songs waren dabei.

Am Festivalfreitag spielte Fantastic Negrito seine Black Roots Musik. Der Singer-Songwriter, Moderator und Begründer des von TV Noir brachte mit seiner klaren, starken Stimme seine Lebenshymnen auf die Waldbühne.

 

Fantastic Negrito ist auf einer Mission für ein besseres Amerika. Dabei geht es um große Themen: Sucht, Waffen, Zensur und Überkonsum.

Cloves ließen sich krankheitsbedingt entschuldigen, dafür spielten RAZZ.

Grizzly Bear haben sich in den letzten Jahren zu einer der meist beachtesten Indie-Bands entwickelt, warenn jahrelang die Lieblingsband urbaner Hipster und begeisterten so längst auch über die Genre-Grenzen hinaus.

Die Hothouse Flowers aus Dubin spielten im Zelt ihren unvergleichlichen Soul, Liam Ó Maonlaí gilt als einer der besten weißen Soulsänger. „I can see clearly now the rain has gone“ sang er, Regen ist aber in letzter Zeit Mangelware. Kettcar starteten nach 5 jähriger Pause wieder Richtung durch, eigenes Label-Festival, Konzerte, Deichbrand-Auftritt und nun auch beim Summer`s Tale. Sänger Marcus Wiebusch bedankte sich bei allen, die keinen Workshop oder Yogakurs besucht haben, sondern vor der Bühne stehen. Danach zählte er die "Unter-30-Jährigen" ab.

Die Independent-Institution New Model Army ist seit über 35 Jahren und sind Justin Sullivan und seine Band ihrem Sound treu geblieben, nach 35 Grad Hitze war der Bereich vor der Konzertbühne erstmalig an diesem Tag gut gefüllt, die Band rockte in den Sonnenunergang hinein. Beginnend mit Songs des aktuellen Albums „WINTER, gab es dann mit Nummern wie "Vagabonds", „No Rest, „I love the World“ und "51th State" eine Rock-Hymne nach der anderen.

Madness, die bekannteste britische Ska-Band, war mit Songs ihres aktuellen Albums “Can’t Touch Us Now” auf der Konzertbühne vertreten. Sänger Graham McPherson begrüßte die Zuschauer mit den Worten " Very nice here in the wild, wild wood..." und gab schon mit dem Opener „One Step Beyond“ richtig Gas. Die Zeiten, als der Saxophonist Lee Thompson mit einem Seil von oben auf die Bühne gelassen wurde sind zwar vorbei, ihre Welthits wie „Our House“ und „It must be Love“ oder Songs wie „Baggy Trousers“, „Embarrassment“ und „Lovestruck“ durften an diesem Abend natürlich nicht fehlen und das Publikum bedankte sich mit reichlich Applaus. Nach dem großen Finale mit „Night Boat to Cairo“ war der musikalische Teil für diesen Tag dann auch beendet.

Zu den Musikern, die am Freitag für heiße Sounds sorgten, gehörte auch Jon Flemming Olsen, der mit seinen damaligen Bandkollegen von „Texas Lightning“ nicht nur beim Eurovision Song Contest 2006 begeisterte. In ihren Bann zogen auch Siegfried & Joy mit ihrer humorvollen Magie auf der Waldbühne, die alle Zauber-Show-Klischees zunichte macht und ganz ohne Tiger auskamen. Wir sahen sie zuletzt bei Nightwash Live in Bremerhaven.