The very best of Circus

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Bremen – Circus? Ist so etwas überhaupt noch zeitgemäß? Ganz klar: Ja! Und zwar mit der Performance von Flic Flac. Wir waren bei der Premiere dabei.

Die Zelt-Anlage im gelb-schwarzen „Tigerenten“-Design ist von weitem auf dem Gelände der Bürgerweide Bremen sichtbar. Die vier 21 Meter hohen Hauptmasten und das Hauptzelt mit einem Durchmesser von 42 Meter kann man nicht übersehen. 1200 Zuschauer können jede Show bestaunen. Mit dem neuen Programm „Höchststrafe“ gastiert der Zirkus erstmals wieder nach 8 Jahren vom 14. Mai (Himmelfahrt) bis 31. Mai 2015 auf der Bürgerweide. Direktor Benno Kastein, selbst übrigens jahrelang Artist, bezeichnet die neue Show mit den Worten: „Attraktionen, Nervenkitzel, Adrenalin- Mehr geht nicht!“

Wir haben in den letzten Jahren vieles aus diesem Genre gesehen und geben ungern Empfehlungen ab, da auch viel vom persönlichen Geschmack abhängt. Aber wir können diese Show wirklich nur empfehlen, denn der Direktor hat Recht- mehr geht nicht!

Gegründet wurde der Zirkus 1989 in Bocholt von Benno Kastein, seinem Bruder Lothar und ihren Ehefrauen Scarlett und Gabi. Auf kostenintensive Tiernummern verzichtet man ganz. „Flic Flac“ setzt vor allem auf Artistik und fetzige Musik. „Flic Flac“ beschäftigt nach eigenen Angaben knapp 90 Mitarbeiter aus 7 Nationen, ein Drittel davon als Artisten, weiterhin Bühnen-, Sound- und Lichtanlagentechniker sowie Verwaltungsangestellte. Auf einer Tour sind 600 Tonnen Equipment mit 8 Zugmaschinen in 62 Transporte verpackt unterwegs.

Zunächst gelangt man in das Vorzelt. Hier gibt es alles mögliche zum Essen und Trinken zu moderaten Preisen. Und da der erste Makel? Aufgereihte Dixi-Toiletten für die Notdurft? So stellt man sich den perfekten Beginn eines tollen Abends nicht vor. Wer dann die Türen öffnet, merkt aber schnell, das sich dahinter ein luxuriöser Toilettenwagen befindet und die Dixi-Toiletten nur Deko waren. Auf dem Herrenklo gibt es über jedem Pissoir heiße Schlitten und heiße Kurven in einer Bildershow auf einem Flatscreen-Monitor.

Fans der modernen und immer etwas schrägen Show, dieses Mal im „Knast-Look“ gehalten, dürfen sich wieder auf reichlich Licht-, Lasertechnik, Motorengeheul und benzingetränkte Luft, brachiale Rockbeats und jede Menge gewagte Stunts freuen. Etwa 40 Artisten sind mit von der Partie. Gerade bei den gewagten Motocross-Stunts müssen die Besucher starke Nerven haben. Der Sound ist sehr gut, es wird guter Rock hervorragend von Sängerin Caro Kunde live gesungen und von der Flic Flac Gefängnis-Band hoch oben im Gefängniszellenbackground gespielt. Die aufwändige Lightshow ist perfekt abgestimmt und setzt die Aufführung ins rechte Licht.

Der gebürtige Ungare Steve Eleky ist in den Umauphasen mit schottischer Comedy-Jonglage und Magic-Darbeitungen zuständig. Seine Selbstironie ("Ich stehe nur hier, weil es in meinem Vertrag steht") löste beim Publikum herzhaftes Lachen aus. Der singende Umbau-Komiker und Sachse Hubertus Wawra ist der zweite Comedian. Der selbsternannte „Master of Hellfire“ liebt das Feuer. Mal brennen seine Arme, ein anderes Mal möchte er eine Zuschauerin mit einem Flammenwerfer „von der Bühne pusten“. Er gab sich mit Zoten, Sexismus und Publikumsbeleidigung bewusst provokant, alles im herrlichen sächsisch. Für Erwachsene sehr unterhaltsam.

 

Auch die beiden Direktorentöchter Larissa und Tatjana waren dabei. Die ältere der Beiden, Larissa schlängelte sich am senkrechten Chinese Pole entlang, technisch hochwertig und eine verführerische Akrobatik.Tatjana war für Handstandakrobatik zuständig.

Die Engländerin Laura Miller performte Akrobatik an langen, von der Zeltdecke hängenden Netzen, ließ sich in ein Wasserpool eintauchen um sich dann wieder ans Zeltdach ziehen zu lassen. Der eine oder andere Zuschauer in den ersten Reihen bekam Wasserspritzer ab.


Unter Lebensgefahr: Der Sprung über die "Globe of Speed"

Auch sehr spektakulär ist „Russian Swing“. Eine Art Schiffsschaukel mit der 3 Artisten Schwung holen um dann den Vordersten in schwindelerregende Höhen zu schießen. Dieser vollführte Saltos im Übermaß um dann punktgenau auf einer weichen Matte zu landen oder mit einem Netz direkt vor den Zuschauern abgefangen zu werden. Handakrobatik der Expendales oder die romantische Art von Akrobatik des Duo Turkeev sind nur einige der weiteren Attraktionen.

Der Höhepunkt der Show waren die Motorradfahrer. Sie rasten mit vollem Risiko in wahnwitzigem Tempo durch die Stahlkugel „Globe of Speed“. Kreuz und quer und kopfüber. Die Freestyle Jumper der „Mad Flying Bikes“ sind ein Markenzeichen von „Flic Flac“ und waren in Bremen vor Jahren schon zu sehen. Sie rasen mit ihren Motocross-Maschinen mit ca. 70 km/h eine Rampe hoch, kommen zwischen den Zuschauerrängen herausgeschossen, um in der Luft zu drehen und Salti zu springen, die riesige Globe of Speed zu überspringen und auf der anderen Zeltseite wieder auf einer Rampe zu landen.

Die Vorstellung dauert ca. zwei Stunden. Karten kosten zwischen 19 und 49 Euro. Es gibt im ganzen Zelt keine wirklich schlechten Plätze (außer die wenigen Plätze in Kategorie IV fast hinter der Bühne)– wenn es also knapp ist, reichen auch die billigen Karten.

Die Show ist eine rundum gelungene Mischung zwischen Akrobatik, witzigen Komikern, eine Prise Erotik und vielen Stunts. Immer wieder gibt es beeindruckende Spannungsspitzen und das Timing, die Ausführung und die dramaturgische Folge waren schlichtweg perfekt und rasant. Wir haben noch keine bessere Gesamtleistung live gesehen und das Charisma der Künstler entflammte die Begeisterung des Publikums bis zum verdienten Standing Ovations. Leider wurde die lange geforderte Zugabe der Zuschauer nicht erhört, war aber bei der Super-Show eigentlich überflüssig. Irgendwann muss ja auch Schluss sein.