Interview mit Marian Gold und Bernhard Lloyd von Alphaville

Von Patricia Mikolasch

Lieber Marian, lieber Bernhard, ich freue mich sehr, dass Ihr Euch die Zeit nehmt ein paar meiner Fragen zu beantworten. Ihr habt die beiden Alben „Afternoons In Utopia“ und „The Breathtaking Blue“ remastered. Warum?
Marian: Technisch gibt es heutzutage viele Möglichkeiten, den Klang der damals gemischten „masters“ extrem zu verbessern. Eine goldene Gelegenheit, den „spirit“ der Alben noch klarer hervorzubringen.
Bernhard: Nach all den Jahren haben wir festgestellt, dass insbesondere die CD-Versionen von beiden Alben nicht dem entsprechen, was klanglich im Mastering machbar ist. Es ging uns nicht darum, etwas Wesentliches zu verändern, sondern nur darum, den Schleier von den damaligen Produktionen zu nehmen.

Was bedeuten Euch diese Alben?
Marian: Was soll ich sagen. Herzblut.
Bernhard: Leidenschaft und Enthusiasmus. Bei „Afternoons in Utopia“ spielte der äußere Druck nach dem großen Erfolg mit „Forever Young“ sicher eine Rolle, von dem wir uns dann mit „The Breathtaking Blue“, der ersten Produktion in unserem eigenen Studio, vollends befreit haben.

Wie entstand die Idee zu dem aus Kurzfilmen bestehenden Film zu „The Breathtaking Blue“?
Marian: Wir haben uns auf das Buch SONGLINES von Bruce Chatwin bezogen, in dem er die sogenannten „dreaming tracks“ der australischen Ureinwohner beschreibt. Diese „Traumpfade“ überziehen unsichtbar Himmel und Erde des australischen Kontinents und werden von den Aborigines innerhalb bestimmter religiöser Zeremonien „erwandert“ und durch Gesänge und Tänze beschrieben. Unsere Idee bestand darin, von uns ausgewählte Regisseure die „Traumpfade“ unserer eigenen Musik durch die filmische Umsetzung der Songs in vollkommener künstlerischer Freiheit beschreiben zu lassen.
Bernhard: Wir waren fest davon überzeugt, dass es interessanter sei, alle Songs des Album zu verfilmen, als konventionelle Promo-Videos für die einzelnen Singles zu machen.

Wie sind die Songs entstanden?
Marian: Sie entstehen sozusagen auf der Landkarte unserer Phantasie, um im Bild von „Songlines“ zu bleiben. Deswegen war unser Bezug auf die australischen Traumpfade ja auch so naheliegend.
Bernhard: Bei „Afternoons in Utopia“ sind die Songs eigentlich wie beim ersten Album entstanden, wir haben zusammen Songs geschrieben und dann Demos skizziert. Bei „The Breathtaking Blue“ sind wir anders vorgegangen. Wir haben einen Song von der ersten Idee bis zur fertigen Mischung im kontinuierlichen Ablauf produziert. Das bedeutete, dass wir ein und den gleichen Song über mehrere Wochen am Stück gehört haben

Gibt es einen erheblichen Unterschied zu der Art und Weise, wie Ihr andere Songs oder Alben geschrieben habt?
Marian: Jedes Alphaville Album entsteht aus einem anderen Ansatz heraus. Deswegen unterscheiden sie sich ja alle voneinander. Und genau das ist der Gedanke dahinter.
Bernhard: Wie oben beschrieben war insbesondere die Art und Weise bei „The Breathtaking Blue“ sehr außergewöhnlich.

Was ist der Kern Eurer Musik?
Marian: ...sich nicht zu wiederholen.
Bernhard: Ich vermag das nicht in Worte zu fassen. Ein wesentlicher Kern ist sicherlich Emotionen zu erzeugen. Vielschichtige Emotionen.

Hat sich der Erfolg von „Forever Young“ und „Big In Japan“ langfristig negativ auf Euch/auf die Musik ausgewirkt?

 

Marian:Ich empfinde Erfolg eigentlich eher als was Positives. Das hat sich auf uns und unsere Musik super märchenhaft ausgewirkt. Von mir aus kann‘s gern so weitergeh‘n.
Bernhard:Erfolg in dieser Dimension kann ganz sicher auch negative Aspekte haben. Aber auf unsere Musik hat er sich nicht negativ ausgewirkt. Wir hatten durch den Erfolg ja alle Möglichkeiten.


Foto: Albumcover

Was hat euch zur Musik gebracht?
Marian: Wie alles Positive: Die Liebe, Hingabe. Naja, von neurotischen Obsessionen bis hin zum Wahnwitz sind wir auch nicht ganz frei.
Bernhard: Ich denke wir waren Fans von Musik, die wir als etwas Besonderes wahrgenommen haben. Das hat uns inspiriert. So sehr, dass wir selber damit begonnen haben. Die Zeit am Ende der 70er/Anfang der 80er war, auch aus heutiger Sicht, eine besondere Zeit.

Was war- bis jetzt- die prägendste musikalische Erinnerung?
Marian: Das war bei mir eine riesige Musiktruhe mit so einem magischen grünleuchtenden Auge bei uns daheim. Das war für mich Sechsjährigen via Kurzwelle der direkte Draht zur Weltmusik. Und dann noch die Schellackplatten im unteren Teil des Monstrums. Hauptsächlich Aufnahmen von Freddy Quinn, zeitlebens einer meiner ewigen Helden. Seine Version von „Sixteen Tons“ ist für mich immer noch der Hammer. Der deutsche Titel lautete: „Sie hieß Mary Ann“. Tja, so heiße ich auch. Was für ein Zufall.
Bernhard: Für mich war es die Punk und New Wave Zeit mit all ihren Protagonisten und natürlich David Bowie und Roxy Music.

Was sind eure „All-Time-Favorite“- Alben, die euch inspiriert haben und es immer noch tun?
Marian: „Close to the Edge“ von YES. Komplexität, durchwoben von unfassbar schönen Melodien mit folkloristischen, klassischen und rockigen Elementen. Bei „You and I“ während der ersten 32 Takte nach Beginn der akustischen Gitarre und mit dem Einsatz der Moogsynthiemelodie gehn für mich die Pforten zum Paradies auf. Und dazu noch das engelsgleiche Timbre von Jon Anderson. Einfach überwältigend.
Bernhard: John Foxx „Metamatic“, Yazoo “Upstairs at Eric´s”, Heaven 17 “Penthouse and Pavement”.

Plant Ihr ein komplett neues Alphaville Album in nächster Zeit?
Marian: Wir sind mittendrin in der Produktion. Arbeitstitel ist THUNDERBABY. Über die stilistische Ausrichtung ist das letzte Wort noch nicht gesprochen. Einige der neuen Titel sind sehr rockig, andere extrem meditativ. Da muss noch eine Entscheidung fallen, wie wir das Baby schaukeln wollen.
Bernhard: Ich bin mit der Produktion des zweiten Atlantic Popes Albums beschäftigt.

Vielen Dank für Eure Zeit und Gedanken. Ich wünsche Euch weiterhin alles Gute, bleibt gesund.
Marian und Bernhard: Besten Dank zurück!