Interview mit Thomas Olivier von Parzival

Von Laura Fatteicher

Die deutsche Rock-Legende Parzival kehrt nach fast 50 Jahren mit einem neuen Album zurück! Nach dem schnellen Erfolgsaufstieg Anfang der 1970er Jahre zerbrach die Band nach kurzer Zeit. Doch die Bremer Musiker sind der Musik weiterhin treu geblieben und haben letztendlich doch wieder zueinander gefunden, um da weiterzumachen, wo sie aufgehört haben. Auf ihrem Doppelalbum “David - The Hymn” präsentieren sie 23 neue Songs, die zusammen mit 130 Musikerinnen und Musikern aus aller Welt entstanden sind.

Eure Band ist nach dem mittelalterlichen Gralsritter Parzival benannt. Wie habt ihr damals den Namen für euch gefunden?

Thomas: Den haben gar nicht wir gefunden, sondern unser Produzent. Wir haben ja auch Musik mit klassischen Instrumenten gemacht und waren da auch – laut dem Magazin “Rolling Stone” – die Ersten weltweit. Als unser Produzent uns besuchte, fiel ihm der Name ein und das fanden wir dann gut. Er hat jetzt also keine wahnsinnig tiefe Bedeutung.

Nach dem schnellen Erfolgsaufstieg kam es schon nach wenigen Jahren zur Auflösung von Parzival. Gibt es rückblickend etwas, was du zu der Zeit anders gemacht hättest?

Thomas: Ja. Wir waren 21/22 Jahre alt und haben uns die Köpfe eingehauen und uns über jeden Blödsinn aufgeregt. Heute würde man das natürlich anders regeln. Es ist sehr schade gewesen, aber wir sind der Musik immer treu geblieben und haben uns dann ja später auch wiedergetroffen.

Wann kam denn die Erkenntnis, dass es ein Comeback geben wird?

Thomas: Zwei Jahre nach unserem Split waren wir schon wieder im Studio – in Otto Waalkes’ Studio “Rüssl Räckords” – weil wir es nicht ohne einander ausgehalten haben. Walter Quintus, unser Geiger, war inzwischen Tonmeister und so haben wir wieder aufgenommen und produziert. Doch auch da haben wir uns leider wieder in die Wolle gekriegt, sodass das Projekt auch nichts wurde. Dann habe ich Journalist bei der Rheinischen Post in Düsseldorf gelernt und später als freier Journalist in der Presse gearbeitet und dann auch eine eigene Presseagentur in Hamburg gegründet. Allerdings bin ich der Musik immer treu geblieben. Ich habe Bands gegründet, habe in einer Jazz-Rock-Band Schlagzeug gespielt, dann habe ich in einer Pop-Band gespielt... Ich war auch Kinderliedersänger für “Pettersson und Findus”, wo ich dem Pettersson meine Stimme gegeben habe. Ach so, und 1989 hatten wir in der Nähe von Bremen nochmal einen gemeinsamen Auftritt in der Urbesetzung mit Cello, Geige und Rockband. Das hat irgendwie Spuren hinterlassen. Walter Quintus ist ja auch der Musik treu geblieben und ist einer der führenden Jazz-, Ethno-, und Rock-Produzenten und Tonmeister weltweit geworden. Er hat die NDR-Bigband produziert und viele berühmte Leute, u.a. Eric Clapton und Jack Bruce getroffen und mit ihnen gearbeitet. Mit ihm habe ich dann auch weiter Kontakt gehabt. Da war alles von früher vergessen und wir waren wieder gute Freunde. Er hätte das auch sehr gerne zu Ende gemacht und weiter mitgearbeitet, aber er ist 2017 leider ganz plötzlich verstorben.

Das neue Album trägt den Titel “David – The Hymn”. Wer ist denn dieser David?

Thomas: David ist ein ehrgeiziger Komponist, der mal ganz groß rauskommen will. Er hat sich einem mächtigen Mann angedient, für den er die Wahlkampfhymne schreiben soll. Doch diese Wahlkampfhymne ist für einen Menschen, der ziemlich ruchlos ist, Umweltschmutz verursacht, Leute peinigt und so weiter. Das war dem Komponisten David aber völlig egal. Auf seinen Reisen ist er dann mit vielen Menschen und Ethnien in der Welt zusammengekommen, in allen möglichen Gegenden. Dadurch hat er Armut gesehen und viele Dinge, die in dieser Welt nicht in Ordnung sind und sich letztendlich doch geweigert, die Hymne zu schreiben. Es ist ja eine Tatsache, dass die Musik oft von Leuten missbraucht wurde, die ihre Macht missbraucht haben, von Diktaturen zum Beispiel oder für Folterungen. Da werden Leute tagelang in einem kleinen dunklen Raum mit lauter Musik beschallt. Das ist die eigentliche Geschichte, um alles in einen Rahmen zu bringen, der Missbrauch der Macht der Musik. Es geht um Umwelt und Migration, und David ist darin der Hauptdarsteller.

Stand es von Anfang an fest, dass es ein Konzeptalbum wird oder hat es sich nach und nach entwickelt?

Thomas: Das stand nicht fest. Ich kann auch wirklich nicht sagen, wie das passiert ist. Ausgangspunkt war der Golfkrieg, weil meine Familie da gerade war und ich Angst um sie hatte ... da habe ich das erste Stück geschrieben. Und dann habe ich in meinem Homestudio einfach weiter komponiert, auch für andere Leute. Beim Komponieren merkte ich, dass es sich wie Parzival früher anhörte. Dann habe ich meine Kumpels wiedergetroffen und die Songs Leuten und Produzenten vorgespielt. Dadurch habe ich auch den Co-Produzenten Dieter Faber kennengelernt und so sind wir zusammengekommen. Es war eigentlich eine Aneinanderreihung von Zufällen. Ich habe mir dann natürlich noch die Geschichte dazu ausgedacht, damit die Schritte zusammengebunden werden.

Es haben ja unglaublich viele Künstler auf dem neuen Album mitgewirkt – wie ist denn die Zusammenarbeit zustande gekommen? Das muss ein enormer Aufwand gewesen sein, auch zeitlicher Hinsicht...

Thomas: Wir haben viele Sängerinnen und Sänger gecastet und wollten bestimmte Musikerinnen und Musiker auch haben. Die waren aber nicht immer greifbar. So haben wir sie dann, wenn sie auf Tournee waren, aufgesucht, ein Demo vorgespielt und gefragt, ob sie Lust hätten mitzumachen. Und so ist das in den Jahren immer weiter zu einer großen Familie zusammengewachsen und man hat interessante Leute kennengelernt, aber vor allem auch viel gelernt in der Musik. Mit afrikanischen Musikern zu arbeiten ist ganz anders, denn sie haben eine ganz andere Vorstellung von Musik und kennen auch keine Noten.

 

 

Das war ein ganz anderes Aufnehmen. Dieter Faber hat eine gute Beziehung zur Elbphilharmonie und ich habe dann zum Filmorchester Babelsberg in Berlin Kontakt aufgenommen und so hat sich das nach und nach ergeben. Acht oder neun Titel singe ich ja selbst auf dem Album – was ich eigentlich gar nicht wollte. Ich singe den David.

Auf eurer Website steht die Zeile: “Die Welt verändern, eine Seite nach der anderen...” Wie sieht dein Ansatz aus, die Welt zu verändern?

Thomas: Wir leben jetzt in einer Welt, die meiner Meinung nach ziemlich krank ist. Unsere Umwelt ist dermaßen beschädigt, der Umgang der Menschen untereinander wird immer schlimmer im Ton ... jeden Tag sterben Arten aus, wir haben Fluten, wir haben Dürren, wir haben die Fluchtbewegung mit 82 Millionen Menschen, die derzeit auf der Flucht sind. So viele gab es noch nie seit dem Krieg. Die Menschen flüchten ja nicht, weil sie Spaß daran haben, sondern weil sie Hunger haben, weil sie Angst haben, weil sie bedroht werden... Die größte Fluchtbewegung wird durch den Klimawandel kommen, weil Gegenden nicht mehr bewohnbar sein werden und die Leute wegziehen müssen. Wie man das Problem löst, weiß ich nicht und Musik wird es erst recht nicht lösen. Es wird sich überhaupt nichts ändern, wenn diese Platte rauskommt, aber man kann als Künstler davon träumen und auf das Thema aufmerksam machen.

Werdet ihr eure neuen Songs auch live präsentieren?

Thomas: Ja, das haben wir vor. Wir haben das schon mal vor zwei Jahren in Hamburg gemacht und es war rappelvoll. Da haben wir dann mit vier Solisten von der Elbphilharmonie unplugged gespielt – mit Gitarre, Keyboards, einer Sängerin aus Russland und mir. Und das kam super an! Wir werden sicher demnächst Handyvideos davon ins Netz stellen, die an dem Abend aufgenommen wurden. Es hat vor allem gezeigt, dass es im kleineren Rahmen auch funktioniert. Wir müssen nicht unbedingt ein riesiges Orchester dabei haben. Die 130 Musiker auf die Bühne zu bekommen, das wäre ja ein Millionenprojekt. Wie das gehen soll, wissen wir noch nicht, aber wir arbeiten daran, das auf jeden Fall auch live zu präsentieren. Das ist mein Traum, das macht ja viel mehr Spaß, als im Studio.

Du hast in den vergangenen Jahren auch viele bekannte Persönlichkeiten kennenlernen dürfen. Welche haben dich und deine Musik besonders beeinflusst?

Thomas: Peter Gabriel, Phil Collins, Elton John. Am meisten haben mich natürlich die Beatles als junger Mensch inspiriert, damit bin ich groß geworden. Ich bin McCartney begegnet, Ringo Starr, George Harrison – das prägt schon sehr. Aber ich glaube, dass Peter Gabriel, weil er so innovativ war, mich am meisten beeinflusst hat. Und ich habe ja nicht nur Leute aus der Musikwelt kennengelernt, auch aus der Filmwelt, zum Beispiel Peter Ustinov oder Brigitte Bardot. Klar, das prägt schon. Ringo hat mir gesagt, wie man das Schlagzeug im Studio am besten aufnimmt, dass er Geschirr- und Handtücher auf die Trommeln legt, um abzudämpfen – das war total lustig. Wenn du mit Leuten über Musik redest, werden sie ganz locker. In dem Moment, wo du private Gespräche beginnst, dann sind sie meistens genervt. Udo Lindenberg kenne ich auch gut, das ist auch ein ganz kollegialer Typ. Wir haben immer im selben Studio, am selben Tag aufgenommen und uns damals das Schlagzeug geteilt, damit wir das nicht neu einstellen mussten. Er hat nachts auf dem Ding gespielt und ich am Tag. Viele berühmte Leute sind völlig normal und freundschaftlich.

Welchen Rat kannst du Musikern mit auf den Weg geben, die gerade noch ganz am Anfang ihrer Karriere stehen?

Thomas: Es ist schwierig, da Ratschläge zu geben. Sie sollen an sich glauben und sie sollen sich nicht so schnell mit Resultaten zufrieden geben. Sie müssen schon richtig arbeiten und sich vielleicht auch Rat von Produzenten holen. Und vor allem: Der Song ist immer noch wichtiger als der Interpret. Es gibt ein altes Gesetz: “The Song makes the singer.” Wir haben super Musiker heutzutage, finde ich, die technisch wesentlich besser sind, als wir es am Anfang waren. Aber die Kreativität ist nicht besser geworden. Da sollte noch dran gearbeitet werden. Und wenn sie dann noch zusammenhalten und nicht so dummes Zeug machen, wie wir damals, und vielleicht noch ein gutes Management haben, dann steht dem eigentlich nichts im Wege. Es gibt natürlich auch Leute, die sich völlig selbst überschätzen. Die gibt es immer. Aber es ist auch ein schwieriger Beruf geworden. Die ganzen Online-Streamingdienste sind ja eine Katastrophe. Das ist eine Frechheit, wie da die Künstler behandelt werden. Vor allem für die jungen Leute, die damit anfangen. Diese Bruchteile von Cents, das ist Wahnsinn. Aber trotzdem: Die jungen Leute sollen Musik machen und schöne Lieder schreiben. Wenn sie diszipliniert sind und natürlich Talent haben, dann kann das immer noch was werden. Schwierig war es damals auch. Wir konnten zwar damals davon leben, aber es gab ganz viele, die es eben nicht konnten. Doch man konnte früher Musik machen, die man selbst auch machen wollte. Da konnten die Stücke 100 Minuten lang sein, das war völlig egal. Das kannst du heute normalerweise gar nicht mehr. Heute wird alles runter gekürzt. Die Musik war damals freier. Aber das Blatt können wir nicht mehr zurückdrehen, das ist halt so. Auf diesem Album habe ich noch gemacht, was ich machen wollte – bis zum letzten Ton. Da hat mir keiner reingeredet – außer mein Co-Produzent. Aber man braucht auch so jemanden, der einen ab und zu bremst und mit dem man sich austauschen kann. Sonst dreht man sich nur noch um sich selbst.