Interview mit Julia Stone

Von Patricia Mikolasch

Auch wenn es gerade in diesen Zeiten einen Lobgesang auf den technischen Fortschritt zu singen gilt, lieferte mir das Interview mit der äußerst sympathischen Julia Stone wieder einmal - allerdings in diesem Maße bisher einmalig - den Beweis dafür, dass es doch nichts schöneres - und nebenbei bemerkt - auch verlässlicheres gibt, als ein persönliches Aufeinandertreffen. Ich hatte also die Gelegenheit mit der australischen Musikerin ein Weilchen zu quatschen. Dieses Weilchen dauerte aufgrund meiner extrem strapazierten Internetverbindung leider nur kurz an… Trotzdem hatten wir ein sehr schönes Gespräch.

Von technischen Möglichkeiten, Entmenschlichung, Spaß haben und tiefer Verbundenheit, von Improvisation und neuen Seiten…. Julia, worum handelt das neue Album „Sixty Summers“?

Julia: "Es fing eigentlich mit Spaß an- ich arbeitete gerade mit meinem Bruder zusammen und tourte sehr viel und ein Teil des Zusammenseins mit Thomas und Annie, die Beiden produzierten das Album, war diese Atmosphäre, diese Stimmung Musik einfach nur aus Freude und des Spaßes wegen zu machen. Es ging nicht zwangsläufig darum ein Album zu schreiben. Und ich glaube, dass dabei eine Seite von mir zum Vorschein kam, die ich wirklich mochte und ich spürte, dass dies eine Richtung war, in die ich musikalisch gerne weitergehen würde. Ich wollte die Möglichkeit haben meine Musik auf der Bühne zu spielen und dann einfach anfangen können zu tanzen. Und das alles nährte die Idee, den Gedanken daran, wie es war, als ich mich in die Musik verliebte. Das war, als ich noch ein kleines Mädchen war und es liebte es zur Musik zu tanzen. Ich glaube, das Album entwickelte sich immer mehr zu einem Projekt, bei dem es um Spaß mit Freunden - ich sage die ganze Zeit „Spaß“!- geht. Ich war schon immer eine sehr hart arbeitende Musikerin - wir touren sehr viel und dieses Album fühlt sich mehr wie Urlaub an oder das ist es, was ich fühle wenn ich die Songs höre oder spiele. Es fühlt sich so an als würde ich immer noch über die herzzerreißenden Momente und Ängste singen, aber auf eine Art und Weise, die sich für mich leichter anfühlt.

Diese Idee, diesen Ansatz finde Ich sehr spannend. Was ist Deine schönste musikalische Erinnerung?

Julia: „Ich würde sagen, in dem Studio meines Freundes Thomas Bartlett in New York zu sein. Jeder Moment, den ich dort mit ihm verbracht habe war unglaublich. Es geht zum einen um die Räumlichkeiten an sich, zum anderen um ihn - es ist, als sei das Studio er selbst. In dieser Welt zu sein, die er erschaffen hat, fühlt sich an wie nach Hause zu kommen. Es ist das Ganze - die Songs zu schreiben, endlose Nächte gemeinsam Musik zu machen und zu reden, Wein zu trinken und Essen zu bestellen - mit Thomas Bartlett dieses Album zu machen ist meine schönste musikalische Erinnerung.

Kennst Du das Gefühl, dass Musik zu stark für Dich wird, dass sie zu einnehmend ist?

Julia: „Ich glaube dieses Gefühl kenne ich von der Musik anderer Menschen. Manchmal habe ich das Gefühl, dass ich mir bestimmte Songs nicht anhören kann, weil sie Gefühle in mir wecken, die ich nicht fühlen möchte. Für mich gab es von meinen eigenen Songs drei, die ich in einer bestimmten Phase nicht singen wollte. Doch die meiste Zeit über sind die Songs, die ich geschrieben habe, eher hilfreich und heilsam als das Gegenteil. Aber ich als Musikhörerin und Musikliebhaberin habe durchaus Alben, die ich mir anhöre um ein bestimmtes Gefühl, einen schmerzhaften Zustand zu erreichen und zu erkunden. Ich denke, das ist die Schönheit und Kraft der Musik. Aber meine eigene Musik ist mehr hilfreich und heilsam. Musik als Kunstform hat nie etwas von mir genommen. Das Gefühl, das etwas zu viel sein oder werden kann, kenne ich aus Beziehungen zu anderen Menschen. Das zieht dann die Energie aus deinem Sein. Musik hatte für mich nie diesen Effekt. Das kommt vielleicht auch daher, dass meine Eltern ein schwieriges Verhältnis hatten und Musik ihnen half - Musik machte die Situation zwischen ihnen besser. Musik brachte sie zum Lachen, zum Tanzen. Dinge, die ihnen von allem drumherum genommen wurden, Ich glaube, weil ich in so einem jungen Alter gesehen habe, dass Musik etwas gibt- auch wenn alles zu viel wird - sie fühlt sich immer gut an. Dinge, die in die Welt des Musikerdaseins gehören- lange unterwegs zu sein, lange von der Familie getrennt zu sein… können sehr anstrengend und zehrend sein, aber auch wenn das alles sehr herausfordernd sein kann, ist man am Ende in der glücklichen Lage Musik machen zu können, zu singen, zu spielen und bekommt so viel zurück dafür. Meine Eltern wollten nichts anderes in ihrem Leben machen und wir dürfen es auch machen - dafür bin ich sehr dankbar und glücklich.

Durch das ganze Verbindungschaos, warten, anschließen, Umstöpseln etc, ist mein Hund „aufgewacht“ und fest entschlossen ein Gesprächsteilnehmer zu werden… Zu unserem (meinem und dem meiner Hündin) Glück hat Julia auch einen Hund - was folgt ist ein kurzer Ausflug in die Ansichten und täglichen Erlebnisse, wie sie nur unter Hundehaltern akkurat ausgeführt werden können.

Julia: „Meine Großeltern waren Viehfarmer und züchteten diese Hunde- Australien Cattledog- sehr intelligent, aber auch sehr frech. Hunde sind die magischsten, aber auch frechsten kleinen Wesen auf dieser Welt.“

 

 


 

 

Da sind wir uns unbedingt einig. Ich zeige Dir meinen Hund, Du zeigst mir Deinen Hund- im persönlichen Gespräch wäre das vielleicht etwas ausgeartet."

Zurück zum musikalischen Ernst des Lebens. Wie schreibst Du Songs?

Julia: „Das kommt immer auf das Projekt an- das ist sehr unterschiedlich. Bei diesem Projekt habe ich viel kollaboriert, also ging ich oft in Thomas´ Studio und für einen Song wie „Break“ hatte er die Sounds schon entwickelt, er hatte den Track schon gebaut - er bastelt immer viele Tracks - und dann stellte er ein Mikrofon vor mir auf und ich sang einfach. Texte und Melodien schreibe ich oft zusammen. Es ist ein bisschen wie Improvisieren aber mit Songwriting. Ich schreibe den Song so, wie ich ihn in meinem Kopf höre. Auf diesem Album habe ich viel auf diese Art geschrieben.


Julia Stone mit Bruder - Fotocredit: Universal/ Jennifer Stenglein

Einige der Songs wie z. B. „Fire In Me“ waren ein bisschen „durchdachter“ oder geplanter. Ein Freund und ich wollten den Song auf eine bestimmte Art schreiben über die Kraft des eigenen Bauchgefühls, das zu tun, was auch immer man möchte und so überlegten wir was die beste Möglichkeit wäre, den Song so klingen zu lassen. In der Vergangenheit habe ich auch viele Songs einfach mit Akustikgitarre und Klavier geschrieben. Dabei habe ich Akkorde gespielt und dazu Melodien gesucht, gesungen und Textideen ausprobiert. Meistens läuft es so - wenn ich etwas gefunden habe, was gut klingt oder sich gut anfühlt, wiederhole ich es eine ganze Zeit und baue darauf einen Song auf.

Ich höre gebannt zu, durch das ganze Verbindungschaos liegt trotzdem immer noch eine leicht chaotische Atmosphäre in der digitalen Luft, woraufhin ich mich erneut entschuldige…

Julia: „Das ist kein Problem. Du musst Dich nicht entschuldigen. Es sind sehr merkwürdige Zeiten. Normalerweise würden wir das Interview machen wenn ich ein Konzert in der Nähe geben würde; wir würden bei einem Kaffee zusammensitzen. So sind wir in dem Zuhause des jeweils anderen. Es bringt einige Herausforderungen mit sich, auch wenn wir uns glücklich schätzen können, diese technischen Möglichkeiten nutzen zu können, fühlt es sich manchmal etwas „entmenschlicht“ an und kann sehr stressig sein - ich merke immer, wie mein Stresspegel steigt wenn ich ein „Onlinemeeting“ habe oder etwas online machen muss.“

Dass die nächste meine bereits letzte Frage sein würde, hätte an dieser Stelle niemand ahnen können. Welche Erfahrung hat Dich zur Musik gebracht?

Julia: „Mit 19 Jahren bin ich für ein Jahr Backpacking gegangen und war immer noch in meinen ersten Freund verliebt. Als ich 16 war trennte er sich von mir und sagte, er wolle andere Frauen treffen. Das Gewicht dieser tiefen Liebe und Verbundenheit zu diesem Menschen trug ich die ganze Zeit weiter mit mir herum. Die Art und Weise damit zurecht zu kommen bestand für mich darin, ihn zu ignorieren - als hätte es ihn nie gegeben - ich habe alle Fotos verbrannt, alle Geschenke zerstört und ich tat so, als wäre das alles nie passiert. Und kurz bevor ich abreisen wollte traf ich ihn auf einer Party. Ich hatte keinen seiner Anrufe der letzten zwei Jahre erwidert und nun hatte er mich gefunden und kam auf mich zu und sagte, dass er mich sehr vermisst hätte und etwas sehr besonderes weggeworfen hätte - irgendwie so was, ich erinnere mich nicht mehr genau. Es berührte mich sehr, aber ich hatte ein Ticket gebucht für vier Tage nach dieser Party um ein Jahr Backpacking zu gehen. Wir unterhielten uns die Nacht lang und die Verbindung war immer noch da und nach wie vor sehr stark, aber ich war - auf dem Weg- und wollte die Welt sehen und reisen. Aber fortzugehen mit dem Wissen, dass er noch immer Gefühle für mich hatte und die Bindung immer noch da war…- als ich reiste und Musik hörte und dabei die Welt entdeckte.

Schwarz. Punkt… Fassungslos sitze ich vor meinem schwarzen Bildschirm und verfluche aufs Neue meine Internetverbindung. Trotz der Widrigkeiten, hat mich das Gespräch sehr berührt und mir neue Ansätze aufgezeigt. Ganz nebenbei durfte ich mit einer sehr sympathischen und interessanten Künstlerin sprechen und bedanke mich an dieser Stelle erneut bei Julia Stone für ihre Gedanken, ihre Musik und wünsche ihr (und natürlich ihrer zauberhaften Hundedame) alles Gute. Patricia und Sinaya (Gesprächsteilnehmerin/ Hund von Redakteurin).

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