Interview mit Kami von Young Mountain

Von Gregor Eder

Schweden ist ja generell für eher düsteren Black Metal oder zumindest Death-Metal bekannt. Die Truppe Young Mountain zeigt sich hier etwas diverser und im Rahmen der Veröffentlichung ihres neuen Album "Infraröd" durfte ich mich mit dem Sänger Kami auf ein kleines Zoom-Meeting treffen.

Nachdem ich mich kurz vorgestellt hatte legte ich wie gewohnt mit einer recht großen Frage los:" Als ich das Album, welches textlich ja sehr düster ist, gehört habe, hat sich mir die Frage gestellt, was die Band eigentlich von Hoffnung hält?"

Kami war etwas veblüfft eine derartige Frage gestellt zu bekommen, antwortete jedoch sehr schnell: "Oh! Das ist eine wirklich schwere Fragen um ehrlich zu sein. Ich glaube Hoffnung ist etwas was wir alle haben müssen, um uns in dieser modernen Welt halten zu können. Auf der anderen Seite ist es ein Gefühl, welches schwer greifbar ist. Ich bin der Meinung, dass es dem Menschen eigen ist immer wieder Hoffnung zu suchen, sie wieder zu verlieren und sie weiters wieder zu gewinnen. Hoffnung ist etwas was sich konstant verändert."

"Also siehst du Hoffnung als etwas sehr dynamisches?" legte ich nach. Kami meinte: "Ja, das ist es wirklich, so wie die meisten Dinge im Leben. Es bewegt sich immer alles. Ich würde sagen Hoffnung ist ein Gefühl welches ich fühle wenn ich Musik schreibe, aber ich muss auch zugeben, dass man wahrscheinlich ohne Hoffnung wohl nicht lebensfähig ist."

Da konnte ich nurmehr zustimmen. Die Texte des neuen Albums sind sehr düster und beinhalten nicht sehr viele "hoffnungs-spendende" Elemente, daher kam die Einstiegsfrage. Die Texte beschäftigen sich hauptsächlich mit den generellen Problemen unserer Gesellschaft und so lautete meine nächst Frage: " In eurem Presseschreiben wird erwähnt, dass sich das Album stark mit den Problemen der heutigen Gesellschaft auseinandersetzt. Was sind deiner Meinung nach die größten Probleme die diese Gesellschaft aufwirft?"

"Oh Mann! An erster Stelle steht definitiv, dass jedes menschliche Leben "expandable", also von so geringer Signifikanz ist, dass es unproblematisch als nichtig erklärt werden kann bzw. auch wird. Wir haben diesen narrativen Überbau in unserer Gesellschaft das man werden kann was man möchte. Verfolge deine Träume und so weiter, doch die Gesellschaft ist in Realität nicht wirklich auf diese Art und Weise strukturiert. Diese Annahme ist simpel hier um uns zu motivieren und den schwierigen Kampf zur Verwirklichung der eigenen Träume zu rechtfertigen. Angeblich leben wir ja in einer Meritokratie. Ich glaube das genau diese Annahme nicht die Wahrheit ist. Dein soziologischer Hintergrund, deine Familie, dein Bildungshintergrund etc. beeinflusst deinen Lebensweg auf unabdingbare Weise. Viele Leute hier in Schweden meine, dass alle die selben Möglichkeiten haben und das ist simpel nicht korrekt. Wir haben zwar grundsätzlich alles zur Verfügung, aber nicht jeder kann zu jeder Zeit alles beanspruchen. Also ja. Ich sehe das Problem darin, dass Menschen "expandable" sind. Ich glaube mit den sozialen Problemen ist es wie mit einem Baum an dessen Wurzel das besprochene Problem steht und daraus weitere problematische Äste wachsen. Ökonomie etc., alles lässt sich daraus ableiten. Speziell wenn es um Menschen mit psychischen Problemen geht sehe ich das Problem, da jene diese geringe Signifikanz stark wahrnehmen." kam als sehr konkrete Antwort von Kami.

Mit dem letzten Satz hatte Kami klarerweise meine "Psychologen-Seite" getriggert und so folgte ein kleiner wissenschaftlicher Diskurs hinsichtlich der erwähnten Themen. Kami war sehr interessiert und als ich darlegte, dass die emotional instabile Persönlichkeitsstörung heutzutage sehr oft diagnostiziert wird, klinkte er sich ein und meinte: "Es ist interessant, dass du das erwähnst. Ich selbst habe nämlich genau damit zu kämpfen. Viele der Fragen die wir bisher aufgeworfen haben, waren speziell bei der Produktion des letzten Albums in meinen Gedanken.

 

 

 

 

 

Ich kenne einige Personen mit diesen Problemen und daher ist die Frage nach der Herkunft dieser Themen eine sehr wichtige. Ich habe gesehen wie Menschen mit emotionaler Instabilität wirklich schwer leiden und diese Personen haben ja auch die höchste Mortalitätsrate hinsichlicht Suizid. Es gibt so viele Missverständnisse wenn es um solche Personen geht und es macht mich wirklich wütend. Mein Herz blutet für all diese Menschen."


Pressefoto

Hier konnte ich nur zustimmen und auch meine Wut über die unglaubliche Stigmatisierung von Personen mit psychischen Problemen kund tun. Schlussendlich kam ich zu dem Punkt, dass aber genau diese Wut und auch die eigenen Probleme über das Ventil der Musik verarbeitet werden können und somit auch gezeigt werden kann, dass diese Menschen nicht alleine sind.

Kami antwortete direkt: "Das ist alles was ich tun will. Ich will irgendwie meine Emotionen über meine Musik in die Welt hinaustragen, wenn ich auch in den Texten nicht immer sehr spezifisch bin. Ich versuche Lyrics etwas zu abstrahieren, so dass sich ein Jeder etwas darunter vorstellen kann. Ich finde es dann immer verblüffend, dass die Hörer schlussendlich trotz dem Abstrakten genau verstehen was ich meine."

Mit einem großen Grinsen im Gesicht erklärte ich Kami, dass ich es mit meiner Musik kein anderes Ziel verfolge und ich eben darin immer wieder die wirkliche Authentizität der Songs verorte. Ich ging weiter etwas auf die Intensität der Musik von Young Mountain ein und bemerkte, dass mir neben der Authentizität auch der generelle Sound sehr gefällt, da es eben nicht das übliche überproduzierte Material ist.

Kami meinte dazu: "Wir versuchen immer das zu tun wonach wir uns gerade fühlen. Natürlich gibt kommt es dabei auch dazu, dass ich beim Schreiben einen Song sehr hype und 4 Monate darauf habe ich das Gefühl zu dem Song nicht mehr und hasse ihn eigentlich. Schlussendlich bin ich dann aber froh, dass ich den Song geschrieben habe, denn er spiegelt das, was ich in diesem Moment damals gfühlt habe. Wir versuchen uns in der Band konstant gegenseitig zu inspirieren, neue Elemente einzubauen und uns weiterzuentwickeln. Vor kurzem hatten wir eine Diskussion über das jetztige Album und das es wohlmöglich das letzte Album mit dieser Art von Sound sein könnte, aber wer weiß was uns wirklich beim nächsten Album einfällt."

Mit dem letzten Satz hatte mich Kami sehr neugierig gemacht, doch leider hatten wir nicht mehr genug Zeit um darauf genauer einzugehen. Somit könnte man sagen, dass das Interview mit einem wirklich guten "Cliffhanger" zu einem Ende kam. Somit kann man gespannt bleiben was von Young Mountain noch so alles kommen mag. Bis dahin könnt ihr Euch schon einmal das neue Album "Infraröd" zu Gemüte führen! Unsere Rezension dazu gibt es --> hier.

An dieser Stelle sei nochmal ein großes Dankeschön an Kami für das nette Gespräch gerichtet. Es war wirklich ein Genuss in derartig philosophische Tiefen zu tauchen und dabei in keiner Weise das Thema Pandemie zu streifen!