Rock und Politik, die Zweite

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Bremen, 24.03.2018 – Kettcar feierten im letzten Sommer zusammen mit Labelmitinhaber Thees Uhlmann auf dem Hamburger Grossmarktgelände das 15-jährige Jubiläum vom eigenen Label Grand Hotel van Cleef (wir berichteten darüber).

Nach Veröffentlichung des neuen 5. Studioalbums "Ich vs. Wir" am Jubiläumstag (unsere Rezension könnt ihr --> hier lesen) ging die Band auf Tour. Und dies sehr erfolgreich, nahezu jeder Abend der Tour ist ausverkauft, so wie bei den drei Konzerten in der Hamburger Großen Freiheit 36. Und so auch am 27.01.2018 im Bremer Schlachthof, als sie das erste Mal nach dem Auftritt im Tower nach Bremen zurückkehrten. Somit wurde ein Zusatzkonzert nachgeschoben, das natürlich auch wieder ausverkauft war. Kettcar haben während ihrer Pause gefehlt wie kaum eine zweite Band hierzulande. Das liegt zum größten Teil an Wiebusch und seinen Texten.

Der Sänger und Liedermacher Tom Liwa, Frontmann und Mitbegründer der Band Flowerpornoes, eröffnete mit nachdenklichen deutschen Texten als Support den Abend. Schließlich steht er beim gleichen Independent-Label unter Vertrag.

Gegen 21:20 Uhr kamen die selbsternannten Hamburger Politpunker auf die Bühne. Sänger und Gitarrist Marcus Wiebusch und seine Mitstreiter – Bruder Lars Wiebusch am Keyboard, Reimer Bustorff am Bass, Erik Langer an der Gitarre und Christian Hake an den Drums. Nicht nur die Musiker sind längst über 40 Jahre alt, auch die dicht gedrängt stehenden Fans sind mitgealtert – oder neu dazugekommen. So auch die Frage von Wiebusch: „ Wer ist hier unter 30?“ nur wenige meldeten sich, dennoch war das Publikum im Gros knapp über 30. Das Positive an solchen Konzerten: Die Smartphones bleiben meist in der Tasche.

Die fünf Videoleinwände hinter der Bühne leuchteten auf. Das Konzert begann mit einer Busfahrt als Videoprojektion an der Bühnenwand - Hamburg-Impressionen. Es folgte ein fast zweistündiges Konzert mit Indierock und Gitarrenpop, in der sich Kettcar mit Themen wie Fußball, Liebe, Rassismus und Flüchtlingen auseinandersetzen. Die Lieder demonstrieren Haltung und sie können Geschichten von Fluchthilfe oder Homosexualität im Spitzensport erzählen, ohne peinlich zu sein. Im Vordergrund stand natürlich das neue Album mit Songs wie die Nachdenk-Nummer „Wagenburg“, den Fluchthelfer-Song „Sommer `89 (Er schnitt Löcher in den Zaun)“, den Coming-Of-Age-Song "Benzin und Kartoffelchips" oder die wehmütige „Trostbrücke Süd“.

 

Aber auch ältere Songs „Money left to burn“ oder Hiphop-Ähnlichem wie der ins Bandrepertoire importierten Wiebusch-Solo-Song „Der Tag wird kommen“ durften nicht fehlen. Es gab einen „Emo-Block“ mit drei Liebesliedern hintereinander („Rettung“, „48 Stunden“, „Balu“). Das Publikum sang die altbekannte Hymnen wie „Graceland“, einen Song über das Älterwerden, mit.

Immer wieder erzählte Bassist Bustorff lustige Anekdoten, z. B. dass er auf den nebenan stattfindenden Bremer Osterwiesen gewesen ist und ihm aufgefallen war, dass auf einem Geisterbahnwagen ein Werder-Logo prangte. „Bei uns steht die gleiche Geisterbahn, nur mit einem HSV-Logo!“.

Auf der Bühne lagen 4 neue, flauschige Polyester-Teppiche. Wiebusch: „Man hat sich beim Label beschwert, dass wir so abgegriffene Teppiche liegen haben. So haben wir uns jetzt 4 neue gekauft. Typ Marrakesch. Ich fand die so toll, da hab ich mir auch gleich einen für zu Hause geholt!“.

Gegen 22:15 Uhr verließen die Musiker das erste Mal nach „Deiche“ die Bühne. Natürlich kamen sie wieder. Wiebusch: „Wären wir Stars, wären wir nicht noch mal rein gekommen. Aber wir sind ja Amateure.“ Nach einer weiteren halben Stunde gab es noch das Gaslight Anthem-artige „Ankunftshalle“, "Landungsbrücken raus" und eine letzte weitere Zugabe mit „Den Revolver entsichern“. Auch nach 17 Bühnenjahren hat die Band nichts von ihrer bestechenden Bühnensympathie verloren und so boten sie ihr Best-of der letzten Jahre. Ein kurzes „Danke, das wir jetzt jeden Monat in Bremen spielen dürfen“ und dann verschwand die Band nach einem Konzertabend mit minimalistischer Performance, aber dafür mit inhaltlicher Stärke sowie Nachdenk- und Schunkelmomenten von der Bühne.