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Der Junge, der seinem Vater nach Ausschwitz folgte

von Jeremy Dronfield

Über den Autor: Seit Veröffentlichung seines beeindruckenden und erschütternd nacherzählten Familiengeschichte ist Jeremy Dronfield ein gefragter Gast in vielen TV Sendungen, es ist auch ein You Tube Video abrufbar, in dem er zusammen mit Kurt Kleinmann ein Interview gibt. Kurt ist es auch zu verdanken, dass viele Erinnerungen und Familienbilder in das Buch mit eingebunden werden konnten. Einige Bilder hat auch Peter Kleinmann zur Verfügung gestellt, er ist der Sohn von Fritz Kleinmann, dem Jungen, der seinem Vater nach Ausschwitz folgte.

Inhalt: Wien, 1938. Der Polsterer Gustav Kleinmann und sein Sohn Fritz werden von den Nazis verhaftet, weil sie Juden sind. Im Konzentrationslager Buchenwald beginnt für beide eine unvorstellbare Tortur, die mehrere Jahre dauern wird. Doch der Liebe und dem Vertrauen zwischen Vater und Sohn kann die nationalsozialistische Vernichtungsmaschinerie nichts anhaben: Als Gustav nach Auschwitz deportiert wird, beschließt Fritz, ihm zu folgen. Aus nächster Nähe erzählt Jeremy Dronfield die erschütternde Geschichte zweier Holocaustüberlebender: von Hunger, Misshandlungen und ständiger Todesangst - aber auch von Freundschaft, Solidarität und tiefster Menschlichkeit im Angesicht des Unmenschlichen. (Klappentext)

Rezension: Die jüdische Familie Kleinmann, Vater Gustav, Mutter Tini, die Kinder Edith, Herta, Fritz und Kurt leben in der Wiener Leopoldstadt. Hier in der jüdischen Gemeinschaft wird schon länger diskutiert über die vernichtende Naziherrschaft im Nachbarland Deutschland. Die Anfeindungen durch die Nazis in der österreichischen Bevölkerung wird täglich aggressiver und besonders für die Kinder spürbarer, ehemalige Freunde und Klassenkameraden wenden sich ab oder quälen die Kinder. Einige jüdische Familie sind schon ausgewandert.

Ein Zitat aus dem Buch beschreibt schon hier die vergiftete und böswillige Atmosphäre: „Die Unterwelt hatte ihre Pforten aufgetan und ihre niedrigsten, scheußlichsten, unreinsten Geister losgelassen.... Was hier entfesselt wurde, war der Aufstand des Neids, der Missgunst, der Verbitterung, der blinden böswilligen Rachsucht“. (Seiten 33/34)

Die österreichische Regierung wird von Hitler unter Druck gesetzt, sie haben die Wahlen in Österreich zu ihren Gunsten manipuliert, die NSDAP übernimmt den Staat Österreich, Adolf Hitler, gebürtiger Österreicher, hat eines seiner Ziele erreicht. Nun beginnt die Leidenszeit und die unglaubliche, tragische Geschichte der Familie Kleinmann, sie zeigt einen unglaublichen Lebenswillen und das starke Band zwischen Vater Gustav und seinem ältesten Sohn Fritz.

Gleich im Jahr 1939 wird erst Fritz verhaftet, dann Gustav. Sie kommen auf einen Transport nach Buchenwald, um dann immer weiter Richtung Osten in andere Arbeitslager verschleppt zu werden. Das schier unmenschliche Leid, der tägliche Existenzkampf, die Folter und Unmenschlichkeit der Lagerkommandanten und der SS-Bewacher, die sich täglich neue psychische und physische Strafen für die tausenden Insassen der Konzentrationslager einfallen lassen, lässt den Leser fassungslos zurück.

 
Gesamtbewertung:

Erscheinungstermin: 30.12.2019
Genre: Historische Familien-dokumentation / Roman
Einband: Flexibler Einband
Seitenzahl: 464 Seiten
ISBN: 978-3-426-27804-8

Autor: Jeremy Dronfield wurde 1965 in England geboren und ist Geschichtswissenschaftler und Archäologe. Nach Abschluss seiner Doktorarbeit in Cambridge wandte er sich dem Schreiben zu, veröffentlichte mehrere Romane und historische Sachbücher. Seine Werke wurden mehrfach ausgezeichnet.

Verlag: Droemer Verlag

Gustav führt während der gesamten Zeit ein kleines Tagebuch, dies ist lebensgefährlich, doch hält es in aufrecht, auch die Liebe und die Fürsorge für seinen Sohn Fritz. Beide machen sich als gute Arbeiter fast unentbehrlich für neu aus dem Boden gestampften Lager, die Produktion für den Endsieg muss laufen. Dennoch stehen beide oft am Rande des Todes, Hunger, Kälte, Verhöre und sadistische Vorgesetzte und Kappos treiben den Holocaust voran.

Auch Gruppierungen unter den Gefangenen sind verfeindet, der Schmelztiegel der verzweifelten Seelen aus ganz Europa, Kriegsgefangener und Zwangsarbeitern und politisch Inhaftierter. Fritz folgt seinem Vater in jedes Lager, auch nach Ausschwitz. Je näher das Kriegsende rückt, desto erfolgreicher und eloquenter soll auch die Tötungsmaschinerie der Nazi arbeiten, die Menschenströme, die durch die Lager fließen, diese aber nie wieder verlassen werden, sind unüberschaubar geworden. Täglich müssen auch Fritz und Gustav zum Appell antreten, täglich wird die Ohnmacht greifbarer, heute vielleicht auf der falschen Seite der Gruppe zu stehen, die sich der Kleidung entledigen muss und den letzten Marsch antritt.

Auf einem mörderischen Rücktransport durch einen kalten Winter Richtung Deutschland sterben nochmals hunderte Gefangene auf offenen Güterwagen. Fritz kann sich durch einen Sprung vom Zug retten. Sein Vater kommt in ein nächstes Arbeitslager. Nach der Befreiung durch die Engländer und Amerikaner, die solches Leid in den Lagern selbst schwer ertragen können, schlägt Gustav sich nach Wien durch. Wen wird er in der Leopoldstadt wieder sehen?

FAZIT: Ein sehr eindrucksvolles Buch, es sollte von so vielen gelesen werden, die auch heute immer noch behaupten, die Shoah hat so nie stattgefunden. Aktueller den je sollte immer wieder daran erinnert werden. Zumal die Zeitzeugen immer weniger werden. Besonders eindrucksvoll sind auch die Familienbilder, so entsteht gleich ein besonders Band zur Familie Kleinmann.

Auch die Anmerkungen und Quellennachweise des Autors im Anhang des Buches zeigen die klaren Beweise für den Holocaust. Auch die Personen und Geschehnisse sind dort angegeben. So kann der Leser eine eigenen Recherche starten. Eine klare Leseempfehlung gegen das stumpfe Vergessen und Vertuschen.