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Die Glasperlenmädchen

von Lisa Wingate

Inhalt/ Klappentext: »Blau ist die Farbe der Treue. Diese Perlen bedeuten, dass wir immer zusammenhalten, egal, wo wir sind …«
1875: Nachdem der Amerikanische Bürgerkrieg das Land in Chaos gestürzt hat, werden drei Frauen auf ihrer Reise nach Texas zu unfreiwilligen Weggefährtinnen: Lavinia, die Tochter weißer Plantagenbesitzer, ihre Halbschwester Juneau Jane sowie Hannie, eine ehemalige Sklavin. Jede der drei ist in eigener Mission unterwegs, während es Lavinia und Juneau jedoch um ihr Erbe geht, sehnt sich Hannie nach ihrer Familie, die von Sklavenhändlern verschleppt wurde. Einzig drei blaue Glasperlen sind Hannie als Andenken geblieben – und als Erkennungsmerkmal, sollte sie ihre Liebsten je wiedersehen …
1987: Als die frischgebackene Lehrerin Benedetta Silva das erste Mal die Schule in Augustine, Louisiana, betritt, ist nichts wie erwartet: Statt moderner Klassenzimmer und lernfreudiger Schüler begegnen ihr Armut sowie Skepsis gegenüber Fremden und jeder Art von Fortschritt. Eines Tages kommt ihr eine Idee: Wenn die Schüler Neuem gegenüber so unaufgeschlossen sind, wie verhält es sich dann mit der Vergangenheit? Kurz darauf ruft sie ein Ahnenforschungsprojekt ins Leben – und stößt dabei auf eine alte Geschichte, die alles verändert ...

Rezension: Die Autorin hat ihr Setting sehr gut recherchiert, sie greift wahre Begebenheiten und gut dokumentierte Personensuchen aus dem Sklavenhandel nach dem amerikanischen Bürgerkrieg um 1875 auf. Immer wieder werden authentische Zeitungsanzeigen von vermissten und verschollenen Angehörigen, Verwandten und Freunden gezeigt, die damals in handschriftlichen Protokollen, aber auch in den Tageszeitungen verbreitet wurden. Hannie ist mittlerweile frei, allerdings sucht sie ihre Schwestern und ihre Mutter, die Familie wurde auf einem Sklavenmarkt auseinandergerissen, verschleppt in alle Himmelsrichtungen. Hannies größter Schatz sind ein paar blaue Perlen an einem Band. Schon ihre Mutter hat sie geerbt, nur in ihrer Familie gibt es diese Art von Perlen. Jedem Kind konnte die Mutter vor der Trennung noch dieses Perlenband mit auf die Reise in ein unbekanntes und beschwerliches Leben, teilweise voller Gewalt und Entbehrungen, mit auf den Lebensweg geben. Sie ist auf der Reise mit Reisegefährtinnen, die unterschiedlicher nicht sein können, aber sie sind aufeinander angewiesen, 3 junge Mädchen, längst nicht frei und gleichberechtigt.

Auch 1987 sind nicht alle Amerikaner gleichberechtigt, immer noch wird unterschieden zwischen schwarz und weiß, arm und reich. Man misstraut sich, viele in den armen Bevölkerungsschichten haben längst aufgegeben. Dies muss auch die junge Lehrerin Bendetta Silva erfahren, die sich vollkommen enthusiastisch und engagiert vor ihre neue Klasse in Augustine, Lousianna, stellt. Hier wird noch das alte Rassenbild und Verhaltensweisen gelebt. Viele der Kinder schwänzen die Schule, kleinere und größere Diebstähle sind an der Tagesordnung. Die Grannys der Kinder bringen ihren Enkeln bei, bloß nicht auffällig zu sein, und sei es mit einem hohen IQ und Lernerfolgen. Doch die neue Lehrerin setzt sich mit einer ungewöhnlichen Idee durch, holt auch die Älteren mit ins Boot. Sie bindet die Jugendlichen in ein Schulprojekt ein – die Vergangenheit ihre Vorfahren, es gibt eine große, alte und verwunschene Plantage in Augustine, wem gehört sie nach dem Recht wirklich. Die Recherchen stoßen natürlich nicht überall auf Gegenliebe. Hier wird dann das Band zu Hannie und ihrer Familie geknüpft.

 
Gesamtbewertung:

Erscheinungstermin: 26.04.2021
Genre: Coming-of-Age Roman Einband: Gebundenes Buch
Seitenzahl: 528 Seiten
ISBN: 978-3809027393

Autorin: Lisa Wingate, geboren im rheinischen Landstuhl, ist Journalistin und Autorin mehrerer preisgekrönter Romane. Ihren großen Durchbruch feierte sie mit »Die Libellenschwestern«. Der Roman führte nicht nur die »New York Times«-Bestsellerliste über ein Jahr hinweg an, er eroberte auch die SPIEGEL-Bestsellerliste sowie Tausende Leserherzen im Sturm. Die Autorin lebt in den Ouachita Mountains in Arkansas, USA.

FAZIT: Dieser Roman reicht nicht ganz an den großen Erfolg der „Libellenschwestern“ heran, historisch und gesellschaftspolitisch allerdings sehr gut recherchiert und lehrreich. Ein wenig erinnert der Roman an die Filmserie „The Underground Railroad“, der sich auch mit dem Thema der, angeblich freien Sklaven, die sich einen Platz in der Gesellschaft erkämpfen wollten, auseinandergesetzt hat.

Der Roman ist oft etwas langatmig, auch durch die vielen Redewendungen und Weisheiten, zu oft eingefügt. Die drei Protagonistinnen aus der alten Zeit, die durchaus jede ihre eigene Geschichte haben, werden nicht ausreichend dargestellt, ihre Gefühle und Emotionen abgeschnitten, da zu schnell wieder in den aktuellen Erzählstrang, in das Jahr 1987 gewechselt wird. Es stört den Lesefluss und das Lesevergnügen, teilweise zäh und langatmig zu lesen. Dies ist im „neuen Teil 1987“ nicht so. Jedem, am aktuellen Zeitgeschehen, Interessierte, ist bekannt, dass unterschwellige oder auch präsente Rassenunruhen und Ungleichbehandlungen an der Tagesordnung sind.

 

Verlag: Limes Verlag