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Glückskinder

von Teresa Simon

Klappentext: München 1945. Auf dem Schwarzmarkt in der Möhlstraße treffen sich alle, die nach Glück und ein wenig Leben suchen. Nylons, Kaffee, Schokolade und Schmuck wechseln hier die Besitzer. Auch Toni, die ihr Zuhause verloren hat und nun bei ihrer Tante Vev wohnt, versucht, auf dem Schwarzmarkt das Nötigste für die Familie zu organisieren. Als sie die Holländerin Griet kennenlernt, spürt Toni zunächst eine tiefe Abneigung. Sie ahnt nicht, dass Griet eine schwere Zeit hinter sich hat, über die sie nie wieder sprechen möchte. Sie könnten einander helfen. Doch das geht nur, wenn sie ehrlich zueinander sind und ihre Vorurteile überwinden ...

Rezension: München im ersten Nachkriegsjahr 1945. Überlebende, Neubürger, Kriegsheimkehrer, Neubürger, die in lang bestehende Wohngemeinschaften zwangszugewiesen werden. Hunger und Lebensmittelrationen stehen auf der Tagesordnung, aber auch großes Misstrauen gegenüber allen Fremden und auch gegenüber den Besatzungsmächten lassen die Nerven der Münchner Bürger blank liegen. Wer von ihnen hat mit dem Naziregime zusammengearbeitet oder gar Mitbewohner in der großen Mietergemeinschaft in der Münchner Innenstadt.
Die Glückskinder im Roman sind ebenso bunt zusammengewürfelt, wie die Gesellschaft damals. Gerettete, Überlebende, Gestrandete, Sieger und Besiegte und natürlich die Menschen, die aus jedem menschlichen Elend noch Profit ziehen, die Schwarzmarkthändler vom Münchner Schwarzmarkt an der Möhlstraße. Zu Anfang wird sich keine der Romanfiguren als Glückskind bezeichnen, Griet, Toni, Louis, Dan, Max und Benno sind alle um ihre Jugendjahre und ihrer Unbefangenheit beraubt worden. Dan, der Amerikaner, kann allen Deutschen nur schwer oder nie die Gräueltaten in den Lagern rund um München verzeihen. Auch die Zwangsarbeiter in den Agfa-Werken hat er teilweise noch befreit. Täglich ziehen noch große Gruppen von ausgemergelten Gestalten, gebeugt und vom Hunger gezeichnet durch die Dörfer um München.

Toni lebt mit ihrer Familie bei ihrer Tante Vev, durch alten Familienschmuck und anderer Kostbarkeiten ernährt Toni durch ihr großes kaufmännisches Verhandlungsgeschick auf dem Schwarzmarkt ihre Verwandtschaft. Die Holländerin Grit hat mehrere Lager und Gewaltmärsche überlebt. Ein großes Geheimnis nagt an ihr, dass macht Toni sehr misstrauisch, als Grit durch den Amerikaner Dan in der Wohnung der Familie ein Zimmer für sich beanspruchen darf. Auch Tonis Bruder hasst die Holländerin, er war ein überzeugter Parteigenosse. Nach und nach verschwinden Dinge aus dem Haushalt der Familie, sie sind überzeugt, dass sie „Zugereiste“ die Täterin ist, der Konflikt spitzt sich zu. Doch weitere Ereignisse überstürzen sich, beide junge Frauen können nur gemeinsam gegen den eigentlichen Feind in ihrem Umfeld bestehen.

Die Autorin schreibt in der Gegenwart, doch in der erschütternden Lebensgeschichte Grit van Mooks gibt es immer wieder Rückblicke. Über ihre Flucht aus Holland, die Arbeiten in den deutschen Lagern und den letzten kräftezehrenden Marsch der Zwangsarbeiterinnen, Viele sterben am Wegesrand, sterbenskrank oder verhungert. Sie erreichten das Lager Wolfrathshausen der strengen Knute des Kommandanten Stirnweiß und seiner brutalen Aufseherinnen. So entkamen sie den Bombardements der letzten Kriegstage.

Aber auch der aufkeimende Lebensmut und die Lebensfreude der jungen Menschen wird hier bildhaft und mit viel Münchner Lokalkolorit beschrieben. Abgerundet wird der Roman durch ein historisches Nachwort, sowie eine Rezeptsammlung „Gute Kost in magerer Zeit“.

 
Gesamtbewertung:

Erscheinungstermin: 08.02.2021

Genre: Familiensaga
Einband: Taschenbuch
Seitenzahl: 512 Seiten
ISBN: 978-3-453-42406-7

Autorin: Teresa Simon ist das Pseudonym der promovierten Historikerin und Autorin Brigitte Riebe. Sie ist neugierig auf ungewöhnliche Schicksale und lässt sich immer wieder von historischen Ereignissen und stimmungsvollen Schauplätzen inspirieren. Die SPIEGEL-Bestsellerautorin ist bekannt für ihre intensiv recherchierten und spannenden Romane, die tiefe Emotionen wecken. Ihre Romane Die Frauen der Rosenvilla, Die Holunderschwestern und Die Oleanderfrauen wurden alle zu Bestsellern.

FAZIT: Ein sehr berührendes Werk von Teresa Simon. Schon oft hat sie historische Momente und Tatsachen in einen Roman verpackt. Dies ist gelebter Geschichtsunterricht, leider kommt diese Epoche und die menschlichen Schicksale im Schulunterricht oft viel zu kurz vor. Und die Eltern und Großeltern sprechen oft nicht gerne über diese entbehrungsreichen und leidvollen Zeiten.
Absolut lesenswert, auch durch die Probanden und ihrer Lebenssituationen. Allesamt Glückskinder und Lebenskünstler. Gerne auch eine Fortsetzung!

 

Verlag: Heyne Verlag