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Die Hafenschwester (2) – Als wir wieder Hoffnung hatten

von Melanie Metzenthin

Inhalt: Hamburg, 1913: Mit ihrer großen Liebe Paul hat Krankenschwester Martha drei gesunde Kinder, eine schöne Wohnung und sogar eine Einladung nach Amerika, um ihre Freundin Milli zu besuchen. Doch die Stadt steht kurz vor dem Ausbruch des 1. Weltkrieges und Marthas Träume von der Zukunft zerplatzen. Trotz seiner 41 Jahre wird Paul eingezogen und Martha muss sich in dieser schweren Zeit allein um das Überleben ihrer Familie kümmern. Als Paul nach einem Granatenangriff schwer entstellt zurückkehrt, wird ihre Ehe auf eine harte Probe gestellt. Martha tut alles für ihren Mann, Paul unterzieht sich aber nur unwillig den nötigen Operationen und scheint aufgegeben zu haben …

Rezension: Der 2. Band um die Hafenschwester Martha beginnt recht ruhig im Gegensatz zum ersten Band. Martha und ihre Familie haben sich etabliert, ein schönes Umfeld, sowie berufliche Zufriedenheit und Erfolge sind an der Tagesordnung. In einigen Buchkritiken wird dies bemängelt, allerdings hat die Autorin eben diese friedvolle Stimmung einfangen wollen. Eine aufregende Seereise mit dem Kreuzdampfer Imperator wird detailreich geschildert. Es geht zu Marthas ehemaliger Busenfreundin Milli, die in Amerika das große Los gezogen hat.

Und in diese friedvollen goldenen Jahre platzt der Beginn des ersten Weltkrieges. Paul wird eingezogen, Martha bangt um ihn, ist jedoch nicht untätig. Sie kann aufgrund der vielen Kriegsverletzten wieder im OP in Eppendorf anfangen. Die ersten Versuche der plastischen Operationen wird hier sehr gut recherchiert dargestellt, Ärzte und Schwestern versuchen das Leid der Kriegsversehrten zu lindern. Die Frauen werden immer wichtiger in den leidvollen Hungerjahren des Krieges, immer weniger Männer sind in Hamburg in ihren Familien und in der Arbeitswelt. Auch die Ungerechtigkeiten zwischen Arm und Reich sind, wie im ersten Band, drastisch beschrieben. Und natürlich kämpft Martha weiterhin mit ihrem Frauenclub für die Gleichberechtigung der Frauen im Berufsleben.

Paul wird in der Nähe von Verdun schwer verletzt, sein Gesicht ist entstellt. Durch die schwere Verletzung verliert er fast seine fantastische Gabe, sein Sprachvermögen. Wie oft hat er es im ersten Band für seine brennenden Reden für die Sozialdemokraten Hamburgs eingesetzt.

Martha und das Ärzteteam in Eppendorf setzten alles daran, ihm durch mehrere plastische Operationen das Leben wieder lebenswert zu machen. Das Team um Dr. Liebknecht steht im engen Austausch mit der Berliner Charitè. Dort hat man als erstes Krankenhaus in Deutschland Erfahrungen in der plastischen Gesichtschirurgie gesammelt.

Paul wird auch durch Marthas Freundeskreis immer wieder mental aufgerichtet, die psychische Komponente wurde in der damaligen Zeit meist überhaupt nicht berücksichtigt. Traumatisierte Kriegsveteranen, deren Schmerztherapie nur durch Morphingaben gelindert wurden, sogenannte Zitterer sind seit der Filmserie "Babylon Berlin" vielen LeserInnen ein Begriff.

 
Gesamtbewertung:

Erscheinungstermin: 14.09.2020
Genre: Historische Romane, Medizingeschichte

Einband: Taschenbuch
Seitenzahl: 496 Seiten
ISBN: 978-3-453-29244-4

Autorin: Melanie Metzenthin lebt in Hamburg, arbeitet als Fachärztin für Psychiatrie und wurde mit dem DELIA-Literaturpreis ausgezeichnet. Mit der Vergangenheit ihrer Heimatstadt fühlt sie sich ebenso verbunden wie mit der Geschichte der Medizin, was in vielen ihrer Romane zum Ausdruck kommt.

FAZIT: Melanie Mezenthin ist wieder ein facettenreicher, medizinisch gut fundierter historischer Roman gelungen. Auch die Hamburger Settings sind mit Straßennamen und Hausnummern auch heute noch teilweise zu besichtigen. Nach einigen Seiten ist es wieder der Pageturner, der den Vergleich zum ersten Band nicht zu scheuen braucht. Band 3 erscheint im Herbst 2021.

 

»Die Hafenschwester. Als wir wieder Hoffnung hatten« ist der zweite Band einer Serie um die Krankenschwester Martha. Unter dem Pseudonym "Antonia Fennek" schreibt Melanie Metzenthin Psychothriller.

Verlag: Diana Verlag