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Als das Leben wieder schön wurde

von Kerstin Sgonina

Klappentext: 1954 sind die dunklen Jahre vorbei, die Wunden des Krieges jedoch noch lange nicht verheilt. Greta Bergström hat fast ihr gesamtes Leben in Stockholm verbracht, bei ihrer Ankunft in Hamburg ist der Himmel über der Stadt so grau wie die Seelen der Menschen. Mit ihrer offenen Art eckt die fröhliche Schwedin überall an, eine Stelle als Kosmetikerin sucht sie vergebens. Alles ändert sich, als Greta sich mit zwei Frauen anfreundet: Marieke, die aus Ostpreußen fliehen musste und den Nachbarinnen in den Altonaer Nissenhütten die Haare macht; und Trixie, die im feinen Blankenese lebt und unglücklich in einen amerikanischen Soldaten verliebt ist. Gemeinsam beschließen die drei Frauen, einen mobilen Schönheitssalon zu eröffnen. Ihre Kundinnen sollen sich wieder wohl in ihrer Haut fühlen, das Leben endlich wieder genießen. Nach den schweren Jahren ein Stück vom Glück zu finden, davon träumen auch die drei Freundinnen…

Rezension: Mit viel Lebensmut und rotem Lippenstift kommt die junge Schwedin Greta in Hamburg im Jahr 1954 an. Sie sucht ihren Vater Harald und seine neue Familie. Gretas Mutter Linnea lebte vor dem 2. Weltkrieg mit ihm hier in Hamburg. Greta kann sich noch ein wenig an Hamburg erinnern, aber sie ist doch sehr erschüttert, welch tiefe Wunden der Zerstörung durch die heftigen Bombenangriffe der alliierten Streitkräfte in einst stolze Hafenstadt gerissen haben. In Schweden gab es diese Art der Zerstörung nicht. Annie, Gretas schwedische Großmutter war ihr Lebensmittelpunkt. Doch von ihrer Mutter hat sie seit ihrer Kleinkindzeit nichts mehr gehört, sie erhofft sich Antworten von ihrer verschollenen Mutter, sicherlich wird Harald etwas über ihren Verbleib wissen.

Doch Greta wird nicht mit offenen Armen empfangen, schon allein ihre verbitterte Stiefmutter ist nicht glücklich über die „Ausländerin“, die doch den deutschen Bürgern Arbeit und Brot wegnehmen will. Man spürt bei ihr noch die linientreue Mitläuferin, gedemütigt durch den verlorenen Endsieg.
Einzig in ihrem Halbbruder Mickey, junger Revoluzzer und begnadeter Saxophonspieler, findet sie anfangs einen Verbündeten und Bruder im Herzen. Auch er hat einen schweren Stand in der engen Etagenwohnung an der Reeperbahn. Er spielt in einer Band Jazzmusik und tritt in diversen Bars rund um Sankt Pauli auf. Gretas Stellensuche als Kosmetikerin gestaltet sich sehr schwierig, auch die Suche nach ihrer Mutter wird zu einer Odyssee, zu viel verschweigt ihr Vater, immer verworrener werden die Angaben von früheren Bekannten ihrer Mutter. Greta reist bis nach Hessen, in Hadamar findet sie dunkle Antworten aus der medizinischen Abteilung der Nazidiktatur.

Doch auch positive Ereignissen und Menschen in Hamburg lassen Greta dann doch beruflich Fuß fassen, sie lernt zwei junge Frauen kennen, Marieke und Trixie, die beiden nicht unterschiedlicher sein können. Aber auch sie haben ihre Passion in Mode- und Kosmetikberufen gefunden. Trixie berät die Kundinnen in Mode- und Stilfragen, Marieke zaubert die allerneusten Frisurkreationen.
In einem umgebauten LKW wird ihr rollender Kosmetiksalon „die schnieke Deern“ ein Geheimtipp unter Hamburgs Frauen, sowohl im schnieken und versnobten Harvestehude als auch in den Nissenhütten weit draußen in Farmsen.
Die drei Freundinnen schweißen Schicksale und traumatische Erlebnisse der Kriegsjahre zusammen. Aber der unbedingte Lebensmut, der Wille nach einem besseren Leben nach den verlorenen Kinder- und Jugendjahren, den dunklen Jahren der Vertreibung, Flucht und Entbehrungen macht diese Generation so stark.

 
Gesamtbewertung:

Erscheinungstermin: 26.01.2021
Genre: Historischer Familien-roman
Einband: gebundene Ausgabe
Seitenzahl: 512 Seiten
ISBN: 978-3-805-20045-5

Autorin: Kerstin Sgonina arbeitet als Autorin, Journalistin, Schlussredakteurin und Lektorin. Mit 18 Jahren kam sie nach Hamburg und schlug sich nach ihrem Abitur dort unter anderem als Türsteherin und Barfrau in Sankt Pauli durch. Nach wie vor liebt sie die Stadt an der Elbe heiß und innig, lebt aber heute mit ihrem Mann und ihren beiden Kindern nahe Berlin.

Verlag: Rowohlt Wunderlich Verlag

FAZIT: Kerstin Sgonina ist ein hier eine eindrucksvolle Schilderung Hamburgs Anfang der 50-Jahre mit sehr sicherem Gespür für die Settings in und um den Hamburger Hafen gelungen. Auch das Milieu in den Hafenkneipen und Clubs sind sehr authentisch beschrieben. Das Leben, die Mühsal und die Arbeitswelt und der britischen Besatzungsmacht lassen die Leser*innen eintauchen in das Jahr 1954. Die geschichtlichen Hintergründe, auch der Anstalt in Hadamar, und die unsäglichen Parolen aus der Zeit 1939 bis 1945 sind damals wie heute noch allgegenwärtig, werden damals im Jahr 1954 wie auch heute noch ausgesprochen, mahnen den Leser zur Wachsamkeit.

Auch der Bucheinband, er zeigt junge Damen an den Alsterpromenaden in ihren schicken Sommerkleidern beim Plausch mit ihren Freundinnen und dem Füttern der Alsterschwänen, gibt einen retroperspektiven Eindruck in damalige Zeit, dem Beginn des Wirtschaftswunders in Deutschland, auch die taffen und starken Frauen dieser Generation haben wesentlich dazu beigetragen.