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Die Wunderfrauen - Alles was das Herz begehrt (Band 1)

von Stephanie Schuster

Inhalt: Vier starke Frauen zwischen Wirtschaftswunder und Hippiezeit, zwischen Nylons und Emanzipation, zwischen Liebe und Freundschaft - die Wunderfrauen-Trilogie. „Darf‘s ein bisschen mehr sein?“ 1953, zu Beginn der Wirtschaftswunderjahre, träumt Luise Dahlmann von ihrem eigenen kleinen Lebensmittelgeschäft. Hier soll es nach Jahren des Verzichts wieder alles geben, was das Herz begehrt. Sie sieht es schon vor sich: die lange Ladentheke mit großen Bonbongläsern darauf, eine Kühlung für Frischwaren, Nylonstrümpfe, buttriger Kuchen, sonntags frische Brötchen … und das Beste daran: endlich eigenständig sein. Endlich nicht mehr darüber nachdenken, warum ihre Ehe nicht so gut läuft, endlich sie selbst sein und etwas wagen.
Drei Frauen werden immer wieder Luises Weg kreuzen: Annabel von Thaler, die wohlhabende Arztgattin von nebenan, die junge Lernschwester Helga Knaup und Marie Wagner, geflohen aus Schlesien. Sie alle haben in den Zeiten des Aufbruchs und des Neubeginns einen gemeinsamen Wunsch: Endlich wieder glücklich sein.

Rezension: Schon der wunderbare Einband des Romans im Vintagelook gehalten, macht neugierig auf diesen spannenden Geschichtsunterricht. Die vier Protagonistinnen Luise, Annabel, Marie und Helga sind in Kleidern und Frisuren der 50er Jahre abgebildet. Fans dieser Epoche werden voll auf ihre Kosten kommen.
Doch es ist sicherlich keine unbeschwerte Zeit, auch in der kleinen bayrischen Gemeinde in der Nähe von Starnberg nicht. Zu viele traumatische Erinnerungen an den 2.Weltkrieg sind noch nicht verarbeitet, Flüchtlingen gegenüber herrscht ein großes Misstrauen, genauso aktuell wie in der heutigen Zeit.
Die jungen Frauen, die doch in den Kriegsjahren so viel ohne Ehemänner und Väter geleistet haben, brauchen nun wieder für jede Firmengründung oder um den Führerschein zu machen, die Erlaubnis der Männer.

Eigentlich emanzipiert und stark, gibt es jetzt Rückschritte, dies bekommt besonders die junge „Arztgattin“ Annabel zu spüren. Auch die drei Freundinnen Luise, Marie und Helga haben Vorurteile gegenüber Annabel, besonders Helga leidet unter der bigotten Einstellung der jungen, gut situierten Annabel.
Aber auch die Entnazifizierung und Vertreibung und die Diebstähle von Eigentum der Juden aus diesem doch beschaulichen Örtchen ist natürlich Thema in diesem Roman am Anfang der Wirtschaftswunderjahre.

Fazit: Der erste Band der Wunderfrauen-Trilogie - drei Romane über vier Freundinnen, deren Leben wir über drei Bände von den Wirtschaftswunderjahren Mitte der 1950er bis zu den Olympischen Spielen 1972 begleiten können. In den Settings von Stephanie Schuster ist die Gegend um den Starnberger See bildhaft und heimatverbunden geschildert. Man spürt das Rascheln der Gardinen, wenn die „dahergelaufene“ Marie zu zwei Junggeselle auf einen abgelegenen Bauernhof zieht. Und auch die Versorgung der Tiere mit all ihren Eigenarten werden liebevoll geschildert für Leute aus der Stadt, auch hier spielt wohl die Schafherde der Familie Schuster eine Rolle.

Sehr unterhaltsam auch die immer wieder eingefügten Seiten aus Luises Ladekunde-Album, sowie der Kochrezepte aus der damaligen Zeit. Da geht es auch um Kundenwerbung und Bindung. Auch die ersten Too Go Gerichte kreiert die rührige Ladenbesitzerin Luise.
Für wichtige Dates werden schwarze Linien auf die Waden gemalt, die teuren Nylons kann sich kaum eine junge Frau leisten. Diese authentische Schilderung kenne ich selbst von meiner Mutter. So bin ich dann auch gespannt auf den 2. Teil der Trilogie, ob Luise, Helga, Marie und Annabel auch den Trick kennen, sich mit der neuen Jeans in die Badewanne zu legen, damit sie am Körper trocknend, hauteng anliegt?

 
Gesamtbewertung:

Erscheinungstermin: 29.07.2020
Genre: Historischer Gesellschaftsroman
Einband: Taschenbuch
Seitenzahl: 480 Seiten
ISBN: 978-3-596-70032-5

Autorin: Stephanie Schuster, Jahrgang 1967, lebt mit ihrer Familie und einer kleinen Schafherde auf einem gemütlichen Hof in der Nähe von Starnberg, in Oberbayern. Hier spielt auch die Trilogie »Die Wunderfrauen«. Auch wenn die Figuren frei erfunden sind, könnten die Geschichten so oder so ähnlich passiert sein. Bestseller-Autorin Stephanie Schuster verwebt in ihren Romanen vier bewegende Frauenschicksale zu einem Panorama der 1950er, 1960er und 1970er Jahre.

Verlag: Fischer Taschenbuch-verlag