Ost-Rock 2.0

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Bremen, 05.11.16 - Die Ost-Berliner Rockband Silly um Sängerin Anna Loos veröffentlichte im Frühjahr 2016 mit „Wutfänger“ ein neues Album. Dies stellen sie nun live auf ihrer Deutschlandtour vor und machten im ausverkauften Aladin halt. Ihr letztes Album „ Kopf an Kopf“ erreichte Goldstatus und auch das Vorgängeralbum „Alles Rot“ wurde mit Platin ausgezeichnet. Zusammen verkauften die beiden Alben insgesamt mehr als 400.000 Tonträger.

Aber wer die Kultband kennt, weiß, dass Silly mit langjährigen Musikerstamm Anna Loos, Rüdiger „Ritchie“ Barton (Keyboard, Gesang), Uwe Hassbecker (Gitarre, Geige), Hans-Jürgen „Jäcki“ Reznicek (E-Bass) auch eine einzigartige Live-Band ist. Vor allem, wenn dabei die derzeitige Sängerin Anna Loos an der 1996 an Krebs verstorbenen charismatische Frontfrau Tamara Danz gemessen wird. Loos, die man bis zu ihrem Einstieg in die Band lediglich als Schauspielerin wahrnahm, hat sich zwischen den Herren wirklich warm gelaufen.

Verfrüht gegen 19:15 Uhr wurde die Live-Show von Jan Sievers eröffnet, der mit gefühlvollen deutschen Texten das Publikum anheizte. Solo recht unbekannt, hat er aber schon mit Udo Lindenberg, Jennifer Rostock oder Rosenstolz zusammen gearbeitet und Songs für Annett Louisan und Gunter Gabriel geschrieben. Er wird auch die Abschiedstour von Luxuslärm supporten.

Silly betrat gegen 20:00 Uhr die Bühne. In eine exzelente Lichtinstallation gehüllt starteten Silly mit “Kampflos” von ihrem aktuellen Album “Wutfänger”. Bei “Bataillon D’Amour” und “Verlorene Kinder” ließen Silly die alten Zeiten zurückkehren. Der Silly-Fanclub war in der ersten Reihe anwesend und hatte Luftballons aufgepustet und hielt beim 2. Lied Textschilder hoch.

Mit den neueren Stücken wie “Zwischen den Zeilen” und “Die Anderen” sprachen Silly direkter Missstände menschlicher und sozialer  Art an, auch mit Ansagen, die man gerade in Dresden hören sollte. Und der Song „Verlorene Kinder“ von 1989 beispielsweise, in dem es eigentlich um die Enge des Lebens in den Wohnblöcken damaligen DDR geht, könnte genauso um die aktuelle Flüchtlingsproblematik von heute gehen.

 

Silly hatten nicht nur ihr rockiges Set im Gepäck, sondern auch ein paar Stücke wie das neue "Wutfänger" in ein akustisches Gewand eingearbeitet, welches Mitten im Konzert nach ca. 45 Minuten kam und jedes Lied (" Ich sag nicht ja" und "Deine Stärken" begeisternd beklatscht wurde. Auf der Bühne agiert Frontfrau Anna Loos zeitweilig sehr agil und voller Energie. Umhüllt von einer Lichtshow, die wild durch die Halle kreiselte und drei beleuchtete Sechsecke im Background entstand so eine atemberaubende Atmosphäre. Anna Loos bedankte sich bei ihren Technikern, die es an diesem Abend besonders schwer hatten, die aufwändige Technik auf die doch recht kleine Bühne zu bekommen, wobei die 7 Musiker auch noch Platz zum bewegen brauchten. Ein Piano, welches normalerweise zum Akutstikteil auf die Bühne geschoben wurde, hatte keinen Platz mehr.

Zum Schluss war dann “Alles Rot”, wie könnte es anders sein. Die vom Publikum gröhlend geforderte Zugabe wurde von der Band an Trommeln eingeläutet und machte den Abend perfekt. Zwei Stunden Silly mit 20 Songs waren zu Ende. Neue Hits, unentdeckte Stücke und auch ältere Stücke aus der gut 40-jährigen Bandgeschichte.

Der Balanceact zwischen der wichtigsten offiziellen Rockband der DDR und jetziger Retro-Verweigerung ist ihnen geglückt. Zwar ist keines der Gründungsmitglieder der 1978 in Ost-Berlin gegründeten Band mehr auf der Bühne. Die Gradwanderung zwischen früheren Liedern aus DDR-Zeiten, die mit Tamara Danz bekannt und zum Kult wurden und die neuen poppigerenaktuellen Songs, funktioniert scheinbar noch.